ISUS Preis 2012

Beim ersten ISUS Preis, der 2012 ausgeschrieben wurde,  stand die kritische Auseinandersetzung mit Schutzrechten und deren Auswirkung auf Lebensqualität und Forschungsinnovationen im Fokus.

Die ausgezeichnete Arbeit
Menschenrechtsaktivisten stellen die Welthandelsorganisation (WTO) oft als Bedrohung der Menschenrechte dar. Andere hingegen verteidigen die Organisation als Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und damit zu mehr Wohlstand auch der Entwicklungsländer.
Der Wissenschaftler Dr. Holger Hestermeyer hat in seiner Dissertation die Konfliktlage zwischen Welthandelsrecht und Menschenrechten anhand eines dramatischen Beispiels untersucht: Der Konflikt zwischen dem internationalen Patentrecht als Teilgebiet des Welthandelsrechts und dem Recht auf Zugang zu Medikamenten, das vom Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte geschützt wird.

Das Welthandelsrecht schreibt auch Entwicklungsländern den Erlass von Patentgesetzen vor, mit denen pharmazeutische Erfindungen geschützt werden können. Als Anreiz für Erfinder gedacht, gewähren Patente ein Quasi-Monopol auf die Erfindung und führen so zu höheren Preisen. Bei Medikamenten kann dies in Entwicklungsländern zu einer dramatischen Verschlechterung der Versorgungslage führen. Das Thema Human Rights and the WTO erlangte die
Aufmerksamkeit der Weltpresse im Rahmen eines Rechtsstreits um den Patentschutz von AIDS-Medikamenten in Südafrika, der die Preise dieser Medikamente empfindlich erhöhte. Der Streit wurde seitdem in zahlreichen Fällen, oft abseits der Aufmerksamkeit der Weltpresse, relevant.
Dr. Hestermeyer stellte sowohl die patentrechtliche als auch die menschenrechtliche Seite des Konflikts dar. Das Völkerrecht böte wenige Lösungsansätze für eine Konfliktlage zwischen völkerrechtlichen Regimen. Hoffnung verbände sich jedoch mit einer menschenrechtsfreundlichen Auslegung des internationalen Patenrechts, so der Wissenschaftlicher. Eine solche wurde in seiner Dissertation vorgenommen.

Auf Wunsch der Industrieländer werde in Freihandelsabkommen ein immer stärkerer Schutz geistigen Eigentums ausgehandelt, speziell im Bereich der Medikamente. Entwicklungsländer seien oft bereit, in diesem Sektor ihre Interessen zurückzustellen, um besseren Zugang zu den Märkten der entwickelten Länder für ihre Waren zu erhalten.
Die entwickelten Ländern wiederum erfüllen Forderungen der pharmazeutischen Industrie, deren Lobby so erfolgreich sei, dass in den USA der Personalaustausch zwischen den verantwortlichen Regierungsstellen und der Pharmalobby zur Normalität geworden sei. Dies schade nicht nur den Entwicklungsländern: So verhindern die Standards, die von den Vereinigten Staaten in Verhandlungen eingebracht würden, in entwickelten Ländern sinnvolle Reformen des Patentrechts, stellte Hestermeyer in seiner Dissertation dar.

Die Preisverleihung
Am 30. November 2012 wurde Dr. Holger Hestermeyer  im Rahmen der Dieselmedaillen-Verleihung, dem ältesten Erfinderpreis weltweit, im Ehrensaal des Deutschen Museums in München für herausragende wissenschaftliche Leistungen mit dem ISUS Preis ausgezeichnet . Die Verleihung fand im Beisein von rund 200 geladenen Gästen aus Wirtschaft, Politik und Medien statt. Die Laudatio hielt unsere Kuratoriumsvorsitzende, Professor Dr. Johanna Haberer. Es war eine bewegende Laudatio, die  das Publikum berührte genauso wie die Dankesrede von Holger Hestermeyer, der die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema weiter anregte.


Das Ergebnis der Arbeit
Die ausgezeichnete Arbeit hat dazu beigetragen, dass im Bereich der Patentrechte in den letzten Jahren ein Wandel vollzogen wurde. Früher glaubten Patentrechtler, dass ein stärkerer Patentschutz automatisch auch zu mehr Innovation führe und die höheren Preise, die Patente verursachen, damit
gerechtfertigt seien. Heute setzt sich immer mehr die Skepsis durch, dass ein zu starker Patentschutz auch innovationsfeindlich wirken kann und dass es Bereiche gibt, in denen die Anreizwirkung der Patente fehlgeht und die Preissteigerung nicht gerechtfertigt ist.

Der Preisträger Dr. Holger Hestermeyer
Dr.  Holger Hestermeyer entdeckte seine Leidenschaft für Völkerrecht und Geistiges Eigentum während seines Jurastudiums in Münster und Berkeley.
Nachdem er die Anwaltszulassung in New York erworben hatte, zog es ihn zum Heidelberger Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Dort entstand seine Doktorarbeit, die mit einer Otto Hahn Medaille und dem Otto Hahn Award der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet wurde. Nach dem Referendariat kehrte er als Gruppenleiter an das Max-Planck-Institut zurück. Dort forscht er über verfassungsrechtliche und verwaltungsrechtliche Fragestellungen sowie über die Problematik einer menschenrechtskonformen Ausgestaltung des internationalen Wirtschaftssystems. Seine Forschungs- und Lehrtätigkeit führte ihn in dieser Zeit in die USA, nach Italien, Mexiko und Chile. 
Dr. Holger Hestermeyer ist Mitglied im Executive Council der Society of International Economic Law, Mitverantwortlicher für das Red Latino-Americana de Derecho Internacional Económico und Mitglied der editorial boards der Revista de Derecho Económico Internacional und Zeitschrift, Contexto.

Fazit
Ein wesentlicher Aspekt für die Verleihung des ISUS-Preises an Dr. Hestermeyer ist die kritische Auseinandersetzung mit Erfindungen, Patenten und damit zusammenhängenden politischen Themen. „Gesellschaftskritische Arbeiten werden oft von Auszeichnungen ignoriert“, erklärt ISUS-Vorstand Ulrike Sauer.
„Aber gerade diese Kritik ist wichtig, um Erfindungen und Patente nicht zum rein ökonomischen Selbstzweck verkommen zu lassen.“